- NordWest-Cup, Bad Zwischenahn, 2020 -
23.01. - 26.01.

 
Zeitenwende im Ammerland
 
Die (Bedenk-)Zeiten ändern sich in Bad Zwischzenahn

Ende Januar fand der traditionelle NordWest-Cup in Bad Zwischenahn statt. Für mich galt es wieder einmal, mit dem ebenso traditionellen einstampfen von Wertungspunkten zu brechen. Mein Verein, Co-Ausrichter des Turniers, der SK Union Oldenburg, stellte eine Menge Teilnehmer aus seinen beiden ersten Mannschaften. Neben Sebastians Partien war ich an denen von Maik Schäfer noch am nächsten dran. Auch Keno Lübsen vom Turm Holthusen versuchte sich in dem Open.

Es gab ein paar Neuerungen: Die in der Ausschreibung für das A-Open genannte Mindestgrenze von 1850 Ratingpunkten wurde nicht umgesetzt. Nebenbei diskutierten wir noch die drängende Frage, ob ein Turnier mit einer Beschränkung überhaupt noch ein „Open“ ist. Eingehalten wurde aber die andere Neuerung: Nach 40 Zügen gab es nur noch 15 Minuten Aufschlag. Nach der Einführung eines Inkrements im Vorjahr dauerten dem Veranstalter manche Sitzungen wohl zu lange.

Aber wir schaffen es noch, dahin zu kommen, die Zeit soweit zu verkürzen, dass wir drei Runden pro Tag spielen können. Solche Turniere gibt es auch bereits… Jedenfalls kann man es vergessen, mit einem Aufschlag von 15 Minuten klassische Endspiele spielen zu wollen, wo man sich mal ein paar Minuten für die Ausarbeitung eines Planes nehmen kann. Nach der Zeitnot folgt direkt eine Schnellschachphase, die gleich wieder durch Blitz abgelöst wird.

Die Partien

Diesmal kein Turniertagebuch. Ich fand es konsistenter, auf die Partien unterteilt nach Spielern zu gucken. So werfen wir zunächst einen Blick auf Sebastians Schaffen, dann auf mein Gepatze. Dann gibt es noch ein paar Eindrücke von Maik. Ich habe in den Diagrammen und Fragmenten dramatische Taktiken, interessante Endspiele und nette Motive ausgewählt. Auch für Nicht-Unionisten ist vielleicht das ein oder andere von Interesse dabei.

Die Kommentarzeichen setze ich heuer mal versuchsweise wie Hübner: „?“ für einen Zug, der die Bewertung der Partie von Gewinn auf Remis oder von Remis auf Verlust ändert sowie „??“ für einen Zug, der aus einer Gewinn- eine Verluststellung macht. Ein „(?)“ letztlich erschwert lediglich die Aufgabe des am Zug befindlichen Spielers. Im Gegensatz zum Doc werden hier aber auch Ausrufungszeichen gesetzt.

Sebastian

Zum Auftakt gab es Weiß gegen untere Hälfte. Eine gute Auftaktkonstellation. Es gab aber eine Ernüchterung: Eine Pleite gegen 1900. Sebastian hatte mühsam einen Gewinn herausgeknetet, in dem Leichtfigurenendspiel griff er aber zu einem fatalen Bauernzug. Hier das Fragment dieses interessanten Endspiels.

Müer - Meyer

Zum Thema unter Hälfte: Schwarz hat im weiteren Verlauf dieses Turniers mit mehreren Leuten gehobener Güte aufgeräumt und dürfte ca. 2300 geleistet haben. Insofern hatte Bast da wohl einen undankbaren Auftaktgegner erwischt, aber es war wie gesagt auch im Endspiel an einer Stelle gewonnen.

Aus dieser unangenehmen Situation heraus kämpfte sich der Oldenburger aber ins Turnier und ließ drei Einsen in Serie folgen, wobei sein Spiel nach und nach an Sicherheit gewann. Gegen 1700 hatte er mit Schwarz die Eröffnung etwas verhalten gespielt, bekam dann aber klaren Vorteil und ließ auch nichts mehr anbrennen. Auf die beiden anderen Gewinnpartien werfen wir einen Blick.Zunächst gab es eine echte Perle gegen Delmenhorsts Talent Theis Pahl (2050):

Müer - Pahl

Ein Highlight! Der Freitag brachte Sebastian also zwei Punkte.

Es folgt der Ausschnitt aus der Viertrundenpartie, wo es gegen 2100 die dritte Eins gab.

Steinle - Müer

So! Nun hatte der Oldenburger sich nach vorne gespielt und traf auf GM Dgebuadze. Gegen diesen Gegner hatte er bereits vor ein paar Jahren knapp verloren. Sebastian erreichte diesmal mit Weiß eine angenehme Stellung, als sein Gegner ein Remis offerierte. Dies lehnte Sebastian ab und opferte in der Folge die falsche Figur. Hier die heiße Phase:

Müer - Dgebuadze

Ich fand es richtig, das Remis abzulehnen in einer solchen Stellung, es erforderte aber auch Courage. Die Null fand Sebastian auch wesentlich weniger ernüchternd als die zu Beginn des Turniers.
 

Der Mann am Fenster:
Bast vs Dgebuadze

In den beiden letzten Runden am Sonntag spielte er dann jeweils gegen 2100 nur Remis. Mit Schwarz in der vorletzten Runde konnte er das weiße Geklammere nicht durchbrechen, während er seine Chancen in der letzten Runde mit Weiß nicht konsequent nutzte. Unter dem Strich hatte Sebastian eine Performance, die in etwa seiner eigenen Zahl entsprach. Das war natürlich nicht das Ziel in diesem Turnier. Immerhin: Nach dem Desaster am Anfang hat er engagiert gekämpft.

Frank

In der ersten Runde gab es eine Schwarzniederlage gegen 2150. Hier musste ich feststellen, dass mein Wissen über die von mir gewählte Eröffnung für die Schärfe dieser Spielweise nicht ausreichte. Auch ein Geburtstagsgeschenk wurde an meinem Ehrentag nicht verteilt.

Der Freitag begann mit einem Tiefschlag: Ich stand gegen 2000 auf Gewinn - und vermasselte es:

Modder - Doell

0 aus 2, und das auf eine völlig unnötige Art. Sehr bitter, ich hatte mir einiges vorgenommen für das Turnier. Aber ich fühlte mich prinzipiell gut am Brett und es lief nun auch besser. Von den nächsten vier Partien gewann ich drei, wobei aber auch die einzige Niederlage in dieser Phase in einer Partie geschah, die ich hätte gewinnen können.

Werfen wir einen kurzen Blick auf die beiden folgenden Siege. Zunächst ein kleines Schmankerl gegen 1700:

Renk - Modder

Da5 - so ein schönes Motiv darf man auch nicht jeden Tag spielen!

Es folgte eine Partie gegen 2000, in der ich meine Vorbereitung auf das Brett bekam - aber trotzdem überspielt wurde. Im Endspiel geschah allerdings noch ein Wunder:

Modder - Kroencke (erweiterte Version v. 02.02.)

Lustig war, als ich nach der Partie aus dem Saal kam. Meine Mannschaftskollegen hatten nicht mehr viel auf meine Stellung gegeben, nur Sebastian hatte noch einen späten Blick erhascht und gesehen, was los war. Er gratulierte auf Verdacht, woraufhin die Anderen mit großen Augen fragten, ob ich Remis gehalten hätte! Zum Glück nicht. Damit war ich auf 50%. Dass das binäre Zahlensystem aber auch in umgekehrter Folge auftauchen kann, sprich: es auch von 1 auf 0 gehen kann, zeigte dann die nächste Runde gegen einen Gegner mit knapp 2100 Wertungspunkten, dies ist das letzte meiner Partiefragmente aus Bad Zwischenahn.

Koellner - Modder

Ein ziemliches Drama. Und ein erneuter Rückschlag auf dem Weg zu einer signifikanten Verbesserung der Wertungszahl. Die Schuld lag aber bei mir selbst, ich war zu verschwenderisch mit meiner Bedenkzeit umgegangen.

Am Sonntag gab es dann die letzten beiden Runden. Mein Spielpartner am Morgen mit knapp 2000 Punkten machte es mir leicht, da er früh eine Figur einstellte. Drei Siege beim NordWest-Cup waren für mich ein Novum! Die lange Pause bis zur Nachmittagsrunde wirkte sich aber nicht sehr positiv aus. Gedanklich unflexibel spielte ich gegen 2100 wie schon in der Auftaktrunde eine Eröffnung, von der ich im Verhältnis zu ihrer Komplexität zu wenig Ahnung hatte. Am Ende des Turniers blieb mir nur ein sehr moderater Zuwachs bei DWZ und ELO.

Keno und Maik

Keno begann mit einem Sieg gegen 1800. Und es sollte seine einzige Gewinnpartie bleiben. Fünfmal trennte er sich Remis von seinen Gegnern. Der Anfang des Turnieres war aber sehr positiv: Nach dem Auftaktsieg folgte ein starkes Schwarzremis gegen Jari Reuker (2380), auch das nächste Unentschieden gegen 2250 ließ aufhorchen. Etwas unnötig war wohl die Niederlage gegen Lara Schulze (2270) zur Mitte des Turniers. Am Ende spielte Keno dreimal gegen 1900, kam aber jeweils über Remis nicht hinaus. Ein paar leichte Ratingverluste unter dem Strich sind aber zu verkraften.

Maiks Gegner waren alle im Bereich 1930-2030 ELO,was noch um einiges über seiner eigenen Zahl lag. In sechs Fällen stand der Unionist aussichtsreich bis auf Gewinn. Aber es war nicht immer einfach, auch die Zeitnot forderte manchmal ihren Tribut, und natürlich: Die Gegner stellen auch Probleme.

Als Material habe ich mal zwei Diagramme und ein Fragment anzubieten:
 
E. Pahl (2030) - Schäfer
Weiß am Zug

Weiß steht hier besser. Erzwungen ist wohl 24. Dxe6+ Kh8 25. Dg6, wonach Schwarz auf e4 eine Figur zurückgeben muss. Danach hat Weiß ein Schwerfigurenendspiel mit einem Mehrbauern. Stattdessen eröffnete sich für Schwarz unverhofft eine Gewinnchance: 25. Dg6? Nun hätte Maik gewinnen können mit 25. … Sf5, denn nach 26. Dxe6+ Kh8 27. Lxf5 hat Schwarz die Ressource Lc8! mit Figurengewinn. Leider fand Maik dies nicht.
 
Schäfer - Arndt (1934)
Schwarz am Zug

Hier steht Schwarz unter Druck, nach 30. … c4 kann er sich aber wohl halten. Nach dem fehlerhaften 30. … f6 konnte Weiß auf verschiedene Weise gewinnen und tat es mit dem ästhetischen 31. Lb3.

Ein echtes Drama spielte sich am Freitag Abend in Maiks Partie gegen den Ex-Wildeshauser Riedel ab. Die Begegnung enthielt mehr „Plot Twists“ als in diesem Mexican Standoff!

Riedel - Schäfer

Ich habe ja nun auch schon viel gesehen, aber… Schade, schade. So viele Chancen, und dann nicht mal Remis. Maik hat aber gezeigt, dass er sich durch sowas nicht aus der Ruhe bringen lässt, und danach noch zwei 1900er umgehauen. Dadurch gab es ordenliche Zuwächse an Ratingpunkten.

Fazit

Eine Menge Drama auf den Brettern. Wenn man nur die Chancen konsequent nutzen würde. Aber es soll ja schwierig sein, gewonnene Stellungen nach Hause zu bringen - und das war eine Tradition, die hier mal wieder gepflegt wurde. Nach oben ist noch Luft! Wir haben aber auch festgestellt, dass man an die Partien anders herangehen muss, wenn die zweite Zeitphase so kurz ist. Positiv war: wir hatten die nötige Wettkampfhärte. Rückschläge wurden gut verarbeitet. Und darauf kann man aufbauen!

Hier noch wie immer der Link zur offiziellen Seite: Link

frank modder, 01.02.2020
 

Noch eine Zeitenwende?
Bast vs Dgebuadze 2012